Wie gelingt Zusammenarbeit in internationalen Teams?

Der Internationalisierungsgrad von Industrie- und Technologieunternehmen wird hoch bleiben, wenn er nicht sogar weiter voranschreitet. Ob Produktionsstandorte in Asien und Amerikas, Entwicklungszentren in Osteuropa oder Vertriebsniederlassungen im deutschsprachigen Raum – viele Unternehmen agieren heute in einem global vernetzten Marktumfeld und in internationalen Teams.

Erfahrungen im Ausland oder in Unternehmen mit HQ außerhalb Deutschlands bringen Arbeitnehmenden dabei wertvolle Impulse. Ein Wechsel in eine andere Unternehmenskultur ermöglicht es, eigene Stärken neu zu erproben, den Horizont zu erweitern und so Kreativität, Innovationskraft und Selbstwirksamkeit zu fördern.

Auch aus Unternehmenssicht hat internationale Erfahrungen Vorteile. Mitarbeitende aus anderen Kulturen hinterfragen langjährige Prozesse und betrachten Produkte und Dienstleistungen aus einem neuen Blickwinkel. Auslandsaufenthalte oder die Tätigkeit in Unternehmen mit HQ außerhalb Deutschlands und die damit verbundenen „Fremdheitserfahrungen“ fördern zudem das Verständnis für andere Arbeitsweisen. Diese interkulturelle Kompetenz wiederum stärkt die Wettbewerbsfähigkeit – insbesondere in internationalen Märkten.

Kulturelle Unterschiede oft unterschätzt

Trotz dieser klaren Vorteile erleben wir bei der Zusammenarbeit in kulturell diversen Teams immer wieder typische Stolperfallen. In chinesischen Unternehmen ist es beispielsweise unüblich, Vorgesetzte direkt zu kritisieren. Entscheidungen werden von Managerinnen und Managern getroffen, von unteren Hierarchieebenen wird die widerspruchslose Umsetzung erwartet. In japanisch geprägten Unternehmen wiederum dauert die Entscheidungsfindung meist länger und ist zunächst schwerer nachvollziehbar. Dafür wird dort beim Glauben an das Produkt länger am eingeschlagenen Weg festgehalten.

Wer aber denkt, kulturelle Unterschiede treten erst dann auf, wenn man von europäischen in asiatisch oder amerikanisch geprägte Unternehmenskulturen wechselt, irrt sich. Bereits innerhalb Europas zeigen sich deutliche Unterschiede in Arbeitsweisen und Gepflogenheiten: Deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stoßen in polnischen Unternehmen auf andere Vorstellungen von Urlaubsansprüchen und Wochenarbeitszeiten. Britische Arbeitnehmende wechseln häufiger den Arbeitgeber – ein in Großbritannien und britisch geprägten Unternehmen akzeptierter Ausdruck beruflicher Flexibilität, der in Deutschland jedoch schnell als mangelnde Stabilität interpretiert wird. In der Schweiz wiederum zählen Höflichkeit und indirekte Kommunikation; deutsche Direktheit kann hier schnell als unfreundliche aufgenommen werden.

Hofstede als Orientierungsrahmen

Um kulturelle Unterschiede zwischen Gesellschaften greifbarer zu machen, hat sich das Modell der Kulturdimensionen nach Geert Hofstede (zuletzt aktualisiert 2010) bewährt. Es beschreibt grundlegende kulturelle Wertemuster, die sich auch auf den Arbeitskontext anwenden lassen – etwa in Führungsstilen, Entscheidungswegen oder Kommunikationsformen. Die sechs Dimensionen im Überblick:

1. Machtdistanz

Diese Dimension beschreibt, wie selbstverständlich Hierarchien akzeptiert werden. In Kulturen mit hoher Machtdistanz, etwa in China oder Indien, sind klare Befehlsketten und Top-Down-Entscheidungen üblich. In Ländern mit niedriger Machtdistanz wie Dänemark oder Australien hingegen wird Führung eher als partnerschaftlich verstanden. Mitarbeitende erwarten Mitsprache und flache Hierarchien.

2. Individualismus vs. Kollektivismus

Hier steht die Frage im Zentrum, ob die Interessen des Individuums oder die der Gemeinschaft im Fokus stehen. In individualistisch geprägten Ländern wie den USA zählt persönliche Leistung stärker, während in kollektivistischen Kulturen wie Japan oder Südkorea Teamentscheidungen, Gruppenzugehörigkeit und Loyalität zum Arbeitgeber wichtiger sind.

3. Maskulinität vs. Femininität

Diese Dimension unterscheidet Kulturen danach, ob sie wettbewerbs- oder konsensorientiert sind. In maskulinen Gesellschaften wie Deutschland oder Großbritannien zählen Leistungsstreben, Durchsetzungsvermögen und materieller Wert. Feminine Kulturen wie Schweden oder die Niederlande setzen stärker auf Kooperation, Gleichstellung und Work-Life-Balance.

4. Unsicherheitsvermeidung

Diese Dimension beschreibt den Umgang mit Ungewissheit. Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung, etwa Deutschland oder Mexiko, bevorzugen klare Regeln, Planungssicherheit und Risikominimierung. In Ländern mit niedriger Unsicherheitsvermeidung wie den USA oder Singapur herrscht mehr Toleranz gegenüber Unvorhersehbarem. Fehler werden als Lernchancen gesehen.

5. Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung

Hier geht es um das Verhältnis zu Zeit und Planung. In Ländern wie China oder Südkorea dominiert eine langfristige Orientierung – mit Fokus auf Ausdauer, Zukunftsinvestitionen und strategischer Weitsicht. Westlich geprägte Kulturen neigen eher zu kurzfristigem Denken, schnellen Erfolgen und pragmatischen Entscheidungen.

6. Genuss vs. Zurückhaltung

Die letzte Dimension beschreibt, wie offen eine Kultur Emotionen und Bedürfnisse auslebt. In genussorientierten Gesellschaften wie Italien oder Brasilien ist es beispielsweise selbstverständlich, emotional zu kommunizieren. In Kulturen wie Deutschland oder Japan gelten emotionale Zurückhaltung und Selbstkontrolle als soziale Norm.

Auch wenn das Modell mitunter kontrovers diskutiert wird – unter anderem wegen seiner generalistischen Aussagen, die individuelle Unterschiede innerhalb von Kulturen außer Acht lassen – bietet es einen hilfreichen Orientierungsrahmen für kulturelle Unterschiede im beruflichen Alltag. In der Praxis angewendet bedeutet es vor allem: Kulturelle Unterschiede sind nicht besser oder schlechter – sie sind schlicht anders. Wer sich bewusster mit diesen Unterschieden auseinandersetzt, kann Reibungen und Frust reduzieren und Potenziale besser ausschöpfen.

Praktische Tipps für erfolgreiche Zusammenarbeit

Kulturelle Diversität im Team ist eine große Chance – vorausgesetzt, sie wird bewusst gestaltet. Damit internationale oder kulturell gemischte Teams ihr volles Potenzial entfalten können, braucht es Feingefühl. Die Kulturdimensionen nach Hofstede bieten dabei eine nützliche Orientierung: Ob Machtdistanz, Umgang mit Unsicherheit oder Zeitverständnis – wer die unterschiedlichen Prägungen erkennt, kann gezielt Brücken bauen. Die folgenden Empfehlungen helfen HR-Verantwortlichen, Führungskräften und Teammitgliedern, kulturelle Vielfalt produktiv zu gestalten:

1. Kulturelle Unterschiede erkennen und ansprechen

Unterschiede in Hierarchieverständnis, Kommunikationsstil oder im Umgang mit Kritik und Unsicherheit sind häufige Stolpersteine. In Kulturen mit hoher Machtdistanz etwa erwarten Mitarbeitende eine klare Anweisung von oben, während in anderen eher ein kollegialer Austausch gewünscht ist. Auch der Ausdruck von Kritik kann kulturell geprägt sein – was in Deutschland als konstruktiv gemeint ist, wird in anderen Ländern möglicherweise als unhöflich empfunden. Wer sich dieser Unterschiede bewusst ist und sie aktiv thematisiert, kann Missverständnisse vermeiden.

2. In die Kennenlernphase investieren

Gute Zusammenarbeit beginnt mit Vertrauen. Nutzen Sie gerade die Anfangsphase: Ein gemeinsames Essen, eine Kick-off-Veranstaltung oder einfach ausführlicher Small Talk helfen, sich gegenseitig kennenzulernen. Besprechen Sie Erwartungen, Rollen und Ziele bewusst in entspannter Atmosphäre – idealerweise nicht erst im hektischen Projektalltag. Wer den Menschen hinter der Rolle kennt, kann auch kulturell bedingte Unterschiede leichter einordnen.

3. Ungewohnte Vorgehensweisen hinterfragen

Wenn Kolleginnen und Kollegen Aufgaben anders angehen, als man es gewohnt ist, entsteht schnell Irritation. Der Impuls, dies als ineffizient oder falsch zu werten, ist menschlich – aber nicht unbedingt zielführend. Besser ist es, offen nachzufragen: Was ist der Hintergrund dieser Vorgehensweise? Welche Vorteile bringt sie vielleicht mit sich? So lassen sich neue Denkansätze erkennen, die das Projekt voranbringen können.

4. Aktive Kommunikation pflegen

Gerade bei sprachlichen und kulturellen Unterschieden ist klare Kommunikation entscheidend. Regelmäßiger Austausch – persönlich, virtuell oder schriftlich – schafft Verbindlichkeit. Achten Sie darauf, wichtige Punkte zusammenzufassen, bei Bedarf zu wiederholen oder schriftlich zu fixieren. So lassen sich sprachliche Nuancen und kulturelle Bedeutungsunterschiede abfedern. Offene Fragen oder Unklarheiten sollten ausdrücklich erlaubt und gefördert werden.

5. Gemeinsame Ziele und Werte betonen

Vielfalt bringt neue Perspektiven, kreative Ideen und Innovationskraft. Gleichzeitig stärkt es das Teamgefühl, wenn man auf Gemeinsamkeiten hinweist: ein gemeinsames Ziel, ein geteiltes Werteverständnis, ein verbindendes Projekt. Gerade in kulturell diversen Teams ist es hilfreich, regelmäßig das Warum der Zusammenarbeit zu betonen – das Wie kann dann durchaus unterschiedlich sein.

6. Zeitverständnis abstimmen

Zeit ist nicht in allen Kulturen gleich strukturiert. Während manche Teams mit klaren Fristen, vorausschauender Planung und festen Prozessen arbeiten, sind andere flexibler im Umgang mit Terminen oder Prioritäten. Stimmen Sie deshalb explizit ab: Wie weit im Voraus sollen Termine angesetzt werden? Welche Projektetappen sind entscheidend? Wie gehen wir mit Verzögerungen oder Prioritätenwechseln um? Solche Vereinbarungen schaffen gerade in internationalen Teams Orientierung.

Fazit

Internationale Teams bereichern Unternehmen, hinterfragen Prozesse und treiben Innovationen voran. Fremdheitserfahrungen durch die Arbeit in einer anderen Unternehmenskultur fördern zudem Kreativität, Selbstwirksamkeit und Problemlösungskompetenzen. Bei all den Vorteilen kommt es bei interkultureller Zusammenarbeit aber auch immer wieder zu Missverständnissen und Reibungen. Unternehmen sollten sich bewusst machen, welche beruflichen Erfahrungen Kandidatinnen und Kandidaten in ihren bisherigen Arbeitskontexten gesammelt haben – und wie diese ihre Haltung zur Arbeit geprägt haben. Umgekehrt gilt für Bewerberinnen und Bewerber: Wer sich für ein Unternehmen mit anderer kultureller Prägung entscheidet, sollte sich im Vorfeld mit den dort üblichen Mentalitäten und Geschäftsgebaren auseinandersetzen – und bereit sein, sich darauf einzulassen. Neben dem Bewusstmachen von kulturellen Unterschieden können eine bewusste Kennenlernphase, regelmäßige, offene Kommunikation und das Betonen von Gemeinsamkeiten helfen, international Besetzungen und das Arbeiten in kulturell gemischten Teams erfolgreicher zu machen.

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